Die Geschichte vom Glarnerland

2. Teil

Im Glarnerland haben Menschen im Umfeld von Arbeit und Kapital in den vergangenen 300 Jahren vieles erlebt und als schweizerische Vorreiter einer neuen Zeit gewirkt und Ungemach vorbildlich überwunden.

Das arbeitende Volk
Im ersten Teil haben wir viel von Unternehmern gesprochen. Von den Menschen, die Fabriken aufbauten, Arbeit organisierten, Handel trieben und damit Arbeit und Verdienst, aber auch Weltoffenheit ins kleine Bergland brachten. Solche Menschen sind das Wirtschaftskapital eines Volkes. Sie sind in der Lage und auch gewillt, sofern für sie selber genügend Verdienst zu erwarten ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Wie aber sahen diejenigen aus, die damals in den Fabriken arbeiteten?
Sie hatten wohl Arbeit und Verdienst, von Lebensfreude und Lebensglück ist in ihren Gesichtern trotzdem wenig zu sehen. Alle aber waren stolz und keiner vermittelt den Eindruck von einem Duckmäuser, Schleicher oder Kopfhänger. Auch bei den Frauen sehen wir in ihren Gesichtern wenig Lebensfreude. Vorwiegend sind es einfache Menschen mit kleinen Augen und trübem Augenausdruck die sich weitgehend in ihr Schicksal ergeben haben.
Auf den Bildern von Arbeiter und Arbeiterinnen die in den neu erstellten Fabriken arbeiteten ist sichtbar, dass hier keine Talente vorhanden sind, um sich selber tatkräftig für menschliche Rechte zu wehren. Auch solche inneren Strukturen sind außen Sichtbar.

Die Gesichter des Volkes
Auf dem ganzen Bild kein Lachen, kein freundlicher Blick. Die Arbeiter hatten wohl Arbeit und Verdienst, von Lebensfreude und Lebensglück ist trotzdem wenig vorhanden. Aber alle sind hoch aufgerichtet. Alle sind stolz und keiner ist ein Duckmäuser, Schleicher oder Kopfhänger. Alle haben stark abstehende Ohren, das zeigt den Drang sich zu betätigen, etwas zu verändern. Eine große innere Unruhe, ist allen eigen, kein einziges quellendes Mittelgesicht, die Gemüter sind erkaltet. Die einzelnen Köpfe sind interessant. Wir beginnen vom Betrachter aus gesehen oben links. Das einfache Bewegungs-Ernährungsnaturell. Ein Arbeiter der kraftvoll zugreifen kann, stolz, selbstbewusst, eigenwillig. Ihn könnte man sich auch als guten Soldaten vorstellen. Er führt durch, was befohlen wird. Seine Umgangssprache ist der Mundform entsprechend derb, einfach, wortkarg. Wenn wir seinen breiten Hals mit demjenigen des Mannes mit der Ballonmütze, von Betrachter aus rechts vor ihm, etwa in der Mitte des Bildes, vergleichen, dann wird uns die Körperkraftdifferenz dieser zwei Menschen so richtig bewusst.

Eine Gruppe von Arbeitern.
Bild aus dem Freulerpalast.

Dieser Mann mit der Ballonmütze hat einen zierlichen Körperbau. Dem weißen Kragen nach zu schließen, arbeitet er wohl im Büro. Trotzdem ist auch hier wenig Herzlichkeit und Ausstrahlung, Harmonie und Glück sichtbar. Die Mütze sitzt absolut korrekt und gerade auf seinem Kopf. Das symbolisiert seine Lebenseinstellung: korrekt und gradlinig. Daraus resultiert bei fehlender Gemütskraft vielfach auch Unerbittlichkeit gegenüber ihm Unterstellten. Beim Mann mit der Mütze in der hinteren Reihe können wir das einfache Bewegungsnaturell erkennen. Keck und verwegen hat er seine Mütze aufgesetzt. Er verschafft sich Freiraum. Er wird sich Befehlen die seine Freiheit einschränken, widersetzen. Hier sehen wir die schönste von allen Mundformen. In Gottes freier Natur wird sich dieser Mund wohl auch zum Pfeifen eines Liedchens spitzen können. Der Mann ohne Mütze am Bildrand rechts hat den zierlichen Körperbau und die feinsten Gesichtsformen. Er repräsentiert das einfache Empfindungsnaturell, welches sich in unglücklicher Lebenslage befindet. Die Augen zeigen, dass er sich ganz in sich zurückgezogen hat. Er glaubt sich wohl von seiner Umgebung nicht verstanden. Sicher hat er zu Hause eine Beschäftigung in die er sich vertiefen kann. Er wird dabei am liebsten  allein sein wollen um die Welt um sich vergessen zu können. Beim Mann im Bild unten links sehen wir ein einfaches Naturell. Er hat wenig innere Impulskraft und wird sich nach Reklamation der allgemeinen Meinung unterordnen. Am meisten Kraft und Formenergie zeigt das Gesicht des Mannes in der Mitte des unteren Bildrandes. Die Stirn weist auf gute Denkanlage hin. Die Augen haben einen kraftvollen Ausdruck, die Nase lässt Übersicht, Planmäßigkeit und Gründlichkeit erkennen. Barttracht und Mund zeigen Bescheidenheit und Entschlossenheit. Der Formkraft entsprechend könnte er der Leiter der abgebildeten Gruppe sein. Der junge Mann daneben zeigt ebenfalls ausgeprägte Formen. Er scheint erkannt zu haben, dass Wissen Macht bedeutet und erscheint fest entschlossen, über seine jetzige Umgebung hinauszuwachsen. Auch er hat die Mütze keck auf seinen Kopf gesetzt. Sie erinnert hier an eine Studentenmütze und symbolisiert mehr den Willen zur geistigen Freiheit. Erstaunlich ist neben dem harten Augenausdruck und dem fest geschlossenen Mund der feingeistige Zug an diesem. Unten rechts sehen wir den schlauen, pfiffigen Bürolisten, der glaubt, mit seiner Wendigkeit das Leben zu meistern. Er denkt: "Ihr könnt mich..., ich lasse mich von Euch nicht erwischen."

Ein Gruppe Frauen,
Bild aus dem Freulerpalast.

 Auch hier kein erfreuliches Bild, keine Lebensfreude, welche die Gesichtszüge durchleuchtet und belebt. Vorwiegend einfache Naturelle, mit kleinen Augen und trübem Augenausdruck die sich weitgehend in ihr Schicksal ergeben haben. Einzig die Frau oben links lässt gute Lebenskraft erkennen. Die Formen an Stirn, Nasenwurzel und Nase sind die klarsten. Der feine Mundzug zeigt prüfende Gefühle, der Augenausdruck und die Mundform Entschlossenheit. Aufmerksam beobachtet sie und die Frau in der Mitte was hier geschieht. Die junge Frau rechts unten zeigt unwillige Kritik.

 

Zwei Frauen.
Bild aus dem Freulerpalast.

  Bei der Frau links erkennen wir die gleiche freie Haltung, wie wir sie bei den Männern beobachten konnten. Das harte Leben hat ihr viel Kraft gekostet. In ihrem Gesicht sind deshalb tiefe Runen des Lebens gegraben. Aus diesem harten Lebenskampf resultiert wohl eine strenge, unnachgiebige Haltung und Einstellung. Eine solche erkennen wir auch an den glatt gekämmten Haaren, dem entschlossenen Augenausdruck und dem kraftvollen, negativen, beinahe männlichen Mundzug. Aufmerksam geht sie durchs Leben, sie ist sehr interessiert und ihr entgeht nur wenig. Der aufmerksame Blick, die kernige Augenumrahmung, die kräftige Nasenwurzel zeigen Geistesgegenwart. Sie will und kann sich in ihrer Umgebung behaupten und macht nur wenige Konzessionen. Rechts neben ihr eine noch junge Frau mit ausgeprägter Oberstirn den starken Kontrastsinn zeigend. Sie hat die leicht gewellten Haare nach hinten gekämmt. Ein lieber, guter Mensch, der im Kreis der verhärmten und verhärteten Frauen lächelt und den Fotographen freundlich anblickt. Noch hat ihr das Leben wenig zugesetzt. Ihre optimistischen Gefühle sind bestimmt von Wünschen, Hoffnungen und Träumen, denn ihre Gedanken kreisen mehr im oberen Teil des vorderen Großhirns. Sie glaubt noch an das Gute in den Menschen und daran, dass Liebe geben immer auch Liebe erhalten nach sich ziehen wird. Bei diesen zwei Frauen sehen wir eine große Verschiedenheit in Charakteranlage und Entwicklung.
Auf den Bildern der Arbeiter und Arbeiterinnen ist sichtbar, dass hier weder die Umstände noch die geistige Kraft vorhanden sind um sich selber tatkräftig für menschliche Rechte zu wehren. Wenn Arbeitnehmer so aussehen, dann ist etwas im sozialen Bereich nicht in Ordnung. Die Arbeiterschaft ist dann auf Hilfe angewiesen. Wer hilft den Schwächeren?

 Helfende Menschen
Mit besonderer Begabung zum Helfen ausgestattete Menschen gab es zu jeder Zeit und gibt sie immer wieder. Es sind Menschen, die dem inneren Drang zu helfen nachgehen müssen und die versuchen, menschliche Situationen zu verbessern.
Einer davon war Pfarrer  Dr. Bernhard Becker (1819 - 1872). Er vernahm "das Seufzen der Kreatur" in den Fabriksälen. "Dabei sollte doch die Industrie", so sagte er, "um des Volkes Willen da sein."  Sein Kampf für mehr Gerechtigkeit und Menschenwürde war aber auch ein Kampf gegen überlieferte Formen und Traditionen; jeder Fortschritt ein Sieg über Kurzsichtigkeit und Eigennutz, über Bequemlichkeit und Furcht jeder Schicht. Nicht zuletzt ein Sieg über Angst und Trägkeit der Masse und deren Hilflosigkeit. Pfarrer Dr. Bernhard Becker war ein stolzer, kühner und freiheitsliebender Mensch. Hochaufgerichtet ging er durchs Leben. Seine Augen zeigen einen durchdringenden, scharfen Geist. Im ersten Moment denken wir an einen Jäger, wie wir ihn häufig in den Bergtälern antreffen. Dann fällt die breite Oberstirn auf, die plastisch ins breite Seitenhaupt ausläuft. Dies zeigt, dass er sich sehr für menschliche Probleme interessiert und einen starken Wissensdrang besitzt.

Pfarrer Dr. Bernhard Becker. (1819-1872)
Bild aus dem Freuelerpalast

Das Mittelgesicht ist quellend, Ausdruck einer tief empfindenden Gemütskraft. Das Oberhaupt ist breit und gewölbt, wie wir das häufig bei religiösen Menschen sehen können. Alle Formen sind ausgeprägt und fein. Das zeigt eine grosse Potenz an emotionaler Intelligenz, die Grundlage zu seinem Einfühlungsvermögen. Es ist das Erscheinungsbild eines Mannes, der sich mit grosser Kraft und Kühnheit unerschrocken für die Freiheit der ihm anvertrauten Menschen einsetzt. Planmässig und gründlich verwirklicht er seine Pläne und strebt Neuerungen an, dies drückt sich physiognomisch an der langen Nase, der tiefgehenden Nasenspitze und dem tiefsitzenden Ohr aus. Der Augenausdruck, die Nase und die innere Ohrleiste zeigen eine ungewöhnliche Darstellungskraft. Er ist mit seiner ehrlichen, direkten, geraden Art nicht immer auf Verständnis gestossen. Das machte ihm wohl sehr zu schaffen, denn am mimischen Mundausdruck zeigt sich etwas Unwilliges, Unzufriedenes. Bernhard Becker  setzte sich trotzdem unermüdlich mündlich und schriftlich für das Recht des Volkes ein und warnte immer wieder vor einer zeitlich übermässigen industriellen Tätigkeit. Er forderte die Schonung der Kinder, die Aufhebung der Nachtarbeit, das Reduzieren der Arbeitszeit auf 12 Stunden. Er forderte bessere Lüftung der Fabriksäle, bessere Wohnungen für die Arbeiter, Schutz der Wöchnerinnen. Er befürwortete den Ausbau der Kranken-, Alters- und Sparkassen. Er mahnte zur Innehaltung der Sonntagsruhe und setzte sich für ein gesundes Familienleben, und für den Ausbau der Volksschule ein. Sein Leben war ausgefüllt mit Arbeit zum Wohle der Mitmenschen. Er wäre ein ausgezeichneter Führer einer Gewerkschaft gewesen.

Demokratie als Hilfe

Die Landsgemeinde liess zur rechten Zeit verantwortungs-bewusste Männer, so z.B. Dr. Joachim Heer, eine wahrhaft demokratische Führergestalt, an die Spitze des Staatswesens treten. Seine Einstellung zur Arbeit und zum Staat dokumentierte er in einer staatspolitisch bedeutsamen Landsgemeinderede: "Nicht zu herrschen ist das Los und die Aufgabe des Beamten der Republik, sondern zu dienen. Freilich dienen nicht im knechtischen oder unedlen Sinn, dass er seinen Wählern schmeichle oder goldene Berge verheisse, um sich ihrer Stimme zu versichern oder seinem Ehrgeiz höhere Bahnen zu erschliessen, sondern so, dass er furchtlos und unverzagt seiner Ueberzeugung folgt und ohne alle Nebenrücksichten der Stimme seines Gewissens gehorcht."

   Besser könnte die richtige Einstellung eines Staatsmannes gegenüber dem Volk, ja die richtige Einstellung zur Arbeit überhaupt, wohl kaum definiert werden. Eine tiefe Gläubigkeit leitete ihn durch das ganze Leben. Er galt bei seinen Ratskollegen als weiser Mann. Er wirkte vermittelnd und versöhnend.

Auf diesem Bild erkennen wir das harmonische Bewegungsnaturell, unabhängig und unbestechlich. Wesentliche physiognomische Merkmale sind die Haltung, der Ausdruck der Augen, und die nach vorne springende Nase. In der Haltung können wir viel Kraft und Stolz erkennen. Es ist aber nicht der Stolz, der ihn sich über andere erhaben fühlen lässt. Es ist der Stolz eines freien Menschen, der sich seiner Kraft bewusst ist und auf sie vertraut. Die Augen zeigen Festigkeit, Übersicht und Weitblick. Klar, intelligent und ohne Falsch blicken sie in die Weite.

  Dr. Joachim Heer. (1825 - 1879) Landammann 1857 - 1875 und ab 1875 Bundesrat, 1876 BundesPräsident. Aus "Die Geschichte des Glarnerlandes" Jakob Winteler, E. Baeschlin, Glarus

   Die Nase, markant, breit, nach vorne springend, ist Ausdruck der geistigen und körperlichen Kraft. Hier erkennen wir auch die Freude am beherrschten Lebensgenuss. Gleichzeitig sehen wir seine Fähigkeit, rasch in ihm fremde Wissensgebiete einzudringen. Diese Anlagen werden mit dem starken Wissensdrang, der sich am breiten oberen Seitenhaupt offenbart, ausgeschöpft. Dabei stellt er seine Person nie in den Vordergrund. Im großflächigen Gesicht nimmt die Oberkieferpartie nur wenig Raum ein. Dies und die Bart und Haartracht zeigen Einfachheit und Bescheidenheit. Joachim Heer ist ein Staatsmann mit festen Grundsätzen. Ein Mensch, der Charakterreinheit, der Pflichttreue und der Gewissenhaftigkeit. Am gerundeten Oberhaupt erkennen wir, aus welcher Quelle er die Kraft für seine Handlungen schöpfte. Eine tiefe Gläubigkeit leitete ihn durch das ganze Leben. Er galt bei seinen Ratskollegen als weiser Mann. Er wirkte vermittelnd und versöhnend wie ein gütiger Vater. Das Volk liebte ihn und für viele war er ein leuchtendes Vorbild. Joachim Heer entstammte einer Familie, die schon einige führende Köpfe hervorgebracht hatte. Als 21jähriger wurde er in den Rat berufen. Mit 32 Jahren wurde ihm das höchste Amt des Kantons anvertraut: das Amt vom Landamann. Er bekleidete diese Amt 28 Jahre. In seine Amtszeit fielen die Einführung des Fabrikgesetzes, des Schulgesetzes, des ersten Strafgesetzbuches und die Verwirklichung vieler weiterer sozialer Postulate zum Wohle des Glarner Volkes.

   Die direkte Demokratie liess an den Landsgemeinden Männer aufstehen, die laut ihre Stimme für wahre Menschlichkeit erhoben und nach Verbesserung der allgemeinen sittlichen Zustände strebten. Weltweite Verbindungen, Handel, Wagemut und Können machten es den Unternehmern möglich, die für soziale Fortschritte nötigen materiellen Grundlagen zu schaffen. Aber immer waren sie zuerst darauf bedacht, dass ihr Gewinn erhalten blieb.
An der Landsgemeinde vom 22. Mai 1864 wurde über den Entwurf der Regierung zu einem neuen Fabrikgesetz abgestimmt. Der Entwurf der Regierung, die Arbeitszeit für Frauen sowie für Kinder unter 16 Jahren auf 12 Stunden und für Männer auf 14 Stunden zu beschränken wurde nicht genehmigt. Dafür führte die Landsgemeinde eine generelle  Arbeitszeit von 12 Stunden für sämtliche Industriearbeiter ein. Zugleich wurde die Nachtarbeit gänzlich verboten. Damit war der Kanton Glarus das erste Staatswesen in Europa, das eine solche Arbeitszeit eingeführt hat. Dieses Gesetz beeinflusste weitgehend die soziale Entwicklung in der ganzen Schweiz.
Der Einführung des neuen Fabrikgesetzes musste noch Nachachtung verschafft werden. Dazu wurde eine Fabrikkommission bestellt. Nach Ablauf der dreijährigen ersten Amtszeit verzichtete die erste Kommission infolge der aufgetauchten Schwierigkeiten auf eine Wiederwahl.
Der Vorsitz der neue Kommission übernahm Dr. med. Fridolin Schuler, ebenfalls ein Beispiel echter Menschlichkeit. Seine hauptsächliche Geisteshaltung war geprägt durch einen starken Willen zum Helfen. Für jeden, auch den einfachen Arbeiter hat er ein freundliches Wort. Bei aller Freundlichkeit und Liebe, die er seinen Mitmenschen entgegenbrachte wusste er was er wollte. Er erfüllte unbeirrt und auf der als richtig erkannten Linie bleibend, die ihm gestellte und von ihm akzeptierte Aufgabe. Widerstände hat er nicht mit Härte und Gewalt aus dem Weg geräumt. Intelligenz, Bestimmtheit, Freundlichkeit, Toleranz und Diplomatie waren seine Waffen, mit denen er vorzüglich umzugehen wusste. Und damit hatte er auch vieles erreicht, was andern nicht möglich schien. Er legte Wert auf korrektes Aeusseres, aber Aeusserlichkeiten waren ihm unwichtig. Er konnte auch Geniessen und aus eigener Erfahrung erkennen, dass zum Erreichen einer guten Leistung eine gesunde Nahrung nötig ist. Durch eine umfassende, wissenschaftliche Untersuchung erkannte er die schlechte Ernährung des Volkes und trug dann wesentlich zur Verbesserung der Volksernährung bei.

  Es ist das Naturell, des erfolgreichen Gelehrten. Zuerst fällt der freundliche Ausdruck der Augen auf. Daraus kann schon auf die hauptsächliche Geisteshaltung von Fridolin Schuler geschlossen werden. Er ist den Menschen zugeneigt. Für jeden, auch den einfachen Arbeiter hat er ein freundliches Wort. Die Mundform zeigt das einen bestimmten Gedanken begleitende Gefühl. Bei Fridolin Schuler zeigt sich hier, dass die freundlichen Gedanken durch gleiche Gefühle gestützt und von Lebensernst begleitet werden. Bei aller Freundlichkeit und Liebe, die er seinen Mitmenschen entgegenbringt, ist die Haltung frei, locker und in sich gefestigt. Das zeigt, dass er unbeirrt und ohne von der als richtig erkannten Linie abzuweichen, die ihm gestellte und von ihm akzeptierte Aufgabe erfüllen will und kann. Widerstände werden aber nicht mit Härte und Gewalt aus dem Weg geräumt.

   Dr. med Friedolin Schuler ( 1832 - 1903 )
Bild aus dem Freuelerpalast

 

Intelligenz, Bestimmtheit, Freundlichkeit, Toleranz und Diplomatie sind seine Waffen mit denen er vorzüglich umgehen kann. Und damit hatte er auch vieles erreicht, was andern nicht möglich schien. Die Art der Haartracht - Kopfhaar, Schnurrbart und Bart - zeigt, dass er wohl auf korrektes Äußeres Wert legt, aber Äußerlichkeiten sind ihm unwichtig. Den Formausdruck könnte man in zwei Worte zusammenfassen: Korrektheit und Bescheidenheit. Letzteres wird auch an der kurze Oberkieferpartie sichtbar. Das obere Augenlid, die markante Nasenwurzel und die lange, kräftige Nase lassen auf ein ausgezeichnetes Sprachtalent, Planmäßigkeit und eine gute Darstellungsgabe schließen. Hier sind auch sehr gute pädagogische Qualitäten sichtbar. Die Nasenspitze ist voll und gerundet, was bei der vorhandenen Spannkraft zeigt, dass Fridolin Schuler sich nicht nur für geistige Lebensbelange interessierte. Er konnte Genießen und aus eigener Erfahrung erkennen, dass zum Erreichen einer guten Leistung eine gesunde, kräftige Nahrung nötig ist.
Durch eine umfassende, wissenschaftliche Untersuchung erkannte er die schlechte Ernährung des Volkes und trug dann wesentlich zur Verbesserung der Volksernährung bei. Die heraufgezogenen Augenbrauen und die Stirnfalten, weisen darauf hin, dass er das Leben um sich herum sehr aufmerksam beobachtete. Nichts entging seinem scharfen Blick. Der ganze Kopf zeigt in seiner Kompaktheit auch starke Konzentrationsenergie. Die Feinheiten der Form, die Liebe und Güte, die aus dem ganzen Gesicht strahlt, zeigen einen Menschen der gewillt ist anderen Menschen zu helfen. Dank seiner überdurchschnittlichen Intelligenz ist er auch fähig, diese Leistung zu vollbringen. Ein leuchtendes Beispiel echter Menschlichkeit.

   Was hat nun Dr.Fridolin Schuler alles geleistet?

Er hat sich massgebend eingesetzt für die Schulgesundheitspflege, das Impfwesen, die Gründung eines Kantonspitals, den Aufbau einer Lungenheilstätte. Er war auch wesentlicher Wegbereiter für eine Unfall- und Krankenversicherung, von der vor allem die Arbeiterschaft profitierte. Die grössten Verdienste hat er sich aber unzweifelhaft als kantonaler und später eidgenössischer Fabrikinspektor erworben. Ein Beispiel echter Menschlichkeit die sich aus Anlage und Entwicklung ergab.
Das glarnerische Beispiel wurde massgebend für das auf den 1. Januar 1878 wirksam gewordene eidgenössische Fabrikgesetz, bei dessen Schaffung Dr. Fridolin Schuler entscheidenden Anteil hatte. Seiner Umsicht, Erfahrung und Hingabe als eidgenössischer Fabrikinspektor war es zu verdanken, dass dem neue Gesetz nachgelebt wurde und es sich deshalb positiv auswirken konnte. Taktvoll, ausgleichend, vermittelnd aber unbeugsam und unbestechlich verfolgte er seinen Weg. Das führte zu beträchtlichen finanziellen Einbussen in seinem Beruf als Arzt. Er nahm das in Kauf. Das Glarnerland und speziell Mollis, der Wohnort von Fridolin Schuler wurde zum Mekka des Arbeiterschutzes.
Durch die Entwicklung der Industrie vermehrte sich der Wohlstand. Die Schulen wurden verbessert, soziale Einrichtungen wurden selbstverständlich. Aus den ausgemergelten aber trotzdem stolzen Arbeitern, wie sie zu Beginn der Industrialisierung noch zu sehen waren, wurden wohlgenährte Bürger, mit Anteil am Gemeinwesen, am Land der Gemeinde, am Holz des gemeinsamen Waldes. Das Steuervermögen stieg innerhalb 30 Jahren von 6,6 auf 20 Millionen im Jahr.

Schlussfolgerungen
Wir haben auf Grund der vorliegenden Fakten gesehen, dass ein Land oft nur beschränkte Möglichkeiten besitzt, Menschen zu ernähren. Sobald aber vorhandene Naturschätze verarbeitet werden können, wird die Existenzgrundlage um ein Vielfaches vergrössert. Das vermehrte Nutzen von Naturschätzen gelingt, wenn einer Idee, oder Erfindung durch unternehmerische Talente der Weg zur Nutzung geöffnet wird, wenn Arbeitskräfte vorhanden sind, um die Idee zu verwirklichen und wenn Absatzmärkte erschlossen werden. Um mehr Menschen in einem vorgegebenen Raum zu ernähren, braucht es also Rohstoff, Erfindung, Arbeitskraft von Unternehmern, Politikern, der Arbeiterschaft, und Kapital. Fehlt eines dieser Elemente, fällt die ganze Kette zusammen. Arbeitslosigkeit, Not, Verlassen der Heimat sind Folgen des Zusammenbruchs. Industrialisierung ist also nötig, wenn wir an einem bestimmten Ort vielen Menschen eine Existenz geben wollen. Erfindung, Arbeitskraft und Kapital sind engstens mit dem Mensch verbunden. Eine Arbeitsteilung ist dabei unumgänglich. Wir haben gesehen, dass für die verschiedenen Tätigkeiten (Organisation, Handel, Fabrikarbeit, Büroarbeit, soziales Handeln) nicht alle Menschen gleich geeignet sind. Es scheint nun logische Schlussfolgerung zu sein, dass der optimale Wirkungsgrad von diesem Organismus, bestehend aus Rohstoff, Erfindung, Arbeit und Kapital, dann gewährleistet ist, wenn jeder Mensch an dem Platz steht, für den er sich am besten eignet. Wir brauchen die Industrialisierung um auf kleinem Raum vielen Menschen Arbeit und Verdienst zu geben. Wir brauchen dazu Ideen und Unternehmer, die in der Lage sind solche umzusetzen. Wir brauchen Arbeitnehmer die durch ihren Leistungswillen Verwirklichung ermöglichen. Wir brauchen dazu aber auch den Vermittler, den Hüter im Staat, der sowohl den einfach denkenden Menschen begreift als auch das Denken des Unternehmers versteht, sein Arbeitsvermögen erkennt, möglichst wenig behindert und trotzdem die nötigen sozialen Grundlagen für alle schafft. Dieses Zusammenspiel haben noch viele nicht begriffen. Der Wirtschaftsführer und Wirtschaftstheoretiker. Prof. Dr. Kurt Schildknecht formulierte das 1993 so: "Es erstaunt immer wieder, wieviele Leute in ihrem wirtschaftspolitischen Denken und Handeln stillschweigend davon ausgehen, dass die Wirtschaft eine Art <Garten Eden> sei und es deshalb in der Politik nur darum gehe, den Reichtum besser zu verteilen. "

Vom modernen Glarnerland und seiner Vorreiterrolle
Immer noch werden im Ring an der Landsgemeinde demokratische Entschlüsse gefasst. Hier zeigt sich, dass damit auch das moderne Glarnerland immer noch Vorreiterrollen übernehmen kann.

Gemeindefusionen
In allen Kantonen der Schweiz wurden Versuche  zum Zusammenschluss von Gemeinden  diskutiert, um Probleme gemeinsam zu lösen, so auch im Glarnerland. Hier hat das Volk auf Antrag der Jung-Sozialistischen Partei  2005 im Ring beschlossen, eine Konzentration der politischen Arbeit durch Zusammenschluss der Gemeinden zu erleichtern. Das Ziel ist: Zusammenschluss zu Glarus Nord, Glarus Mitte und Glarus Süd, was bis 2011 zu verwirklichen ist. Eine 2007 durch Verteidiger der Gemeinde-Eigenständigkeit auf demokratische, aber doch eigensinnige Art einberufene ausserordentliche Landsgemeinde zur Verwerfung des Beschlossenen, bestätigte mit großem Mehr den Zusammenschluss und die Fusionen.

Stimmrecht für Jugendliche
An der Landsgemeinde 2007 beschloss die Landsgemeinde die Senkung des aktiven Wahlrechtsalters auf 16 Jahre. Für die Wählbarkeit in politische Ämter und richterlichen Behörden bleibt das Mindestalter von 18 Jahren bestehen.

 Beide Beschlüsse können, wie in alten Zeiten, für die ganze Schweiz Vorbild sein.

 Arbeit und Verdienst
Im Tourismusbereich hat das Glarnerland als Wanderland und den Skigebieten Braunwald und Elm einiges zu bieten, was wohl etwas besser propagiert werden sollte. Im Industriellen Bereich wurden wesentliche Teile verloren. Es ist deshalb nötig dass neue Ideen und neuer Unternehmergeist zur alten Prosperität führen und der Wohn-Tourismus- und Industriekanton aus eigener Kraft neu erblüht. Heute fehlen die Unternehmer, die neue Arbeit schaffen.

Politik

Fritz Schiesser ab März 1990 Ständerat, ab 2008 Präsident des ETH-Rates. Foto Roger Wehrli
Im Eidgenössischen politischen Bereich zeigen sich hervorragende Persönlichkeiten. Eine davon sei erwähnt. Es ist Fritz Schiesser, der nach langer Tätigkeit als Ständerat zum Präsident des ETH Rates gewählt worden ist. Fritz Schiesser ist eine Persönlichkeit, die sich dank hervorragenden geistigen Eigenschaften und angeborenem Ausgleichsvermögen auch für das Amt eines Bundesrates sehr gut eignen würde. Was sieht der Physiognom an diesem Gesicht. An den ausgeglichenen Formen des ganzen Kopfes erkennen wir eine gewisse Ähnlichkeit wie bei Fridolin Schuler. Solche Menschen suchen ausgeglichene Lösungen. Die Unterstirn und das tief sitzende Ohr lässt starken geistigen und seelischen Bezug auf Tatsächliches erkennen. Die ausgewogene Form des Ohres, der Aufbau der Stirn und die Feinheit der Hautstruktur, macht die das Tatsächliche begleitende hohe Menschlichkeit sichtbar. Das Ohr lässt, in seiner kraftvollen, ausgeglichenen Form eine leistungsfähige emotionale Intelligenz, aber auch eine große Regenerationskraft erkennen. Oberflächlichkeit ist für ihn ein Fremdwort, doch pingelig ist er nicht.  Die kraftvolle Nase zeigt Führungsqualitäten. Fritz Schiesser kann auch hart sein, wenn er dies als nötig erachtet. Ständig ist er auf der Suche nach neuen Lösungen und in diesem Sinn ist er ein Wissenschafter. Die bescheidene Art seines Auftretens zeigt sich an der kurzen Partie des Oberkiefers. Das Kinn lässt den stetigen Tatimpuls, eingebettet in Würde, erkennen. Zusammenfassend könnten wir sagen: "Ein feine, ausgeprägte Persönlichkeit, mit hohen geistigen und menschlichen Qualitäten, bei bescheidenem aber Wegsicherem Auftreten."
So stellt sich der Physiognom einen hervorragenden Bundesrat und würdigen Vertreter des kleinen, aber seit frühen Zeiten als Spitzenreiter wirkenden Glarnerlandes vor.

Literaturhinweis: "Die Geschichte des Glarnerlandes".  Jakob Winteler, E. Baeschlin, Glarus. Studien im Freuelerpalast, dem Glarner Landesmuseum , Grundlagen der Menschenkenntnis, Band 1 und Band 2, PPV Verlag Schwanstetten

 Verfasser: Schärer Paul, Gustav Baystr. 16, 4142 Münchenstein