Im Glarnerland haben Menschen im Umfeld von Arbeit und Kapital in den vergangenen 300 Jahren vieles erlebt und als schweizerische Vorreiter einer neuen Zeit gewirkt und Ungemach vorbildlich überwunden.
Demokratie als Hilfe
Zwei Ursachen bestimmen maßgebend die Tatsache, dass der Kanton Glarus in Industrie und Politik seit Jahrhunderten eine schweizerische Vorreiterrolle spielt und einen bedeutenderen Beitrag leistete als man dies aufgrund seiner geographischen Größe erwarten könnte.
Erstens ist es die Jahrhunderte alte, bewährte und allen Gefahren zum Trotz erhaltene Einrichtung der Landsgemeinde.
Zweitens ist es die demokratische Schulung einer stolzen und unabhängigen Bürgerschaft, die im Ring zu Glarus ihre Rechte ausübt.
Naturverbundenheit und einfache Lebenshaltung machten es möglich, dass auch Arbeiter den Willen und den Mut hatten (und heute immer noch haben) im Ring neben Fabrikherren stehend, durch hochhalten der Hand, ihre Stimme frei abzugeben. Diesen Stolz und die Kraft sehen wir in der untenstehenden Arbeit an den Bildern des arbeitenden Volkes.
Die direkte Demokratie ließ Männer aufstehen, die laut ihre Stimme für wahre Menschlichkeit erhoben und nach Verbesserung der allgemeinen sittlichen Zustände strebten. Wie solche Menschen aussehen und was ihr Inneres bewegt, wird dargestellt.
Weltweite Verbindungen, Handel, Wagemut und Können machten es andererseits den Unternehmern möglich, die für das Leben nötigen materiellen Grundlagen zu schaffen und trotz sozialen Fortschritten den zum Überleben nötigen Gewinn zu erhalten. Wie sehen solche Unternehmer aus, wie lassen sich ihre Fähigkeit und Persönlichkeitstrukturen erkennen?
Folgen wir der interessanten Entwicklung, den Sorgen und Nöten, in einem schweizerischen Tal.
Einführung
Zu allen Zeiten erlebten die Menschen hautnah, wie dramatisch Arbeit und Kapital unser Leben belasten oder beglücken kann. Hier liegt ein alter, zutiefst menschlicher Konflikt. Zur Lösung werden von allen Seiten Vorschläge gemacht. Viele sind von einseitigen Ansichten dominiert, denn richtunggebende Denk- und Handlungsweisen sind von den Persönlichkeitsstrukturen der Bestimmenden abhängig.
Während der letzten Jahrhunderte erfolgte im Glarnerland industriell und menschlich wegweisende Entwicklungen, die uns Einblick geben in die ganze Problematik von Arbeit und Kapital und gleichzeitig zeigen, wie die daraus entstehenden Probleme, politisch demokratisch und menschlich vorbildlich, angepackt werden können.
Wenn man Charakterstrukturen der beteiligten Menschen betrachtet, erfahren wir viel über den Hintergrund von geschichtlichen Entwicklungen. Das Erkennen der in ihrem Genom gefangenen und durch Erziehung und Entwicklung entstandenen Persönlichkeitsstrukturen hilft uns Probleme lösen. Wenn wir Menschen als Individuum mit Grenzen erkennen, können wir das Wesen von unterschiedlichen Ansichten und daraus folgenden Handlungen ergründen.
Bestimmte Menschentypen leisteten immer wieder Wesentliches zu neuer Prosperität, nachdem äußere Umstände zu Krisen führten. Bestimmte Menschentypen versuchen Soziales zu verwirklichen. Damit wir persönlichen Hintergrund ihrer Tätigkeiten verstehen und achten lernen, nähern wir uns physiognomisch analysierend, den inneren Strukturen solcher Menschen.
Menschen eingebettet in die Natur
Schon immer liebte das Glarnervolk ihre Heimat in der sie geboren und aufgewachsen sind. Sie liebten die Freiheit, trieben Land- Alp- Forstwirtschaft und Bergbau. Sie züchteten Vieh, erzeugten Käse und Butter, den Schabzieger (ein heute noch in aller Welt bekannter Kräuterkäse, der mit Bockshornklee, auch Gartensteinklee genannt, hergestellt wird), verarbeiteten Holz und Schiefer. Das waren ihre Handelswaren. Damit lebten sie still und in Frieden.
Erste Industrialisierung
Der Naturschiefer und eine gute Idee führten zu einer ersten Industrialisierung.
Um 1616/17 kam ein fremder Schreinergeselle, Jost Bellerheim aus Giessen auf die Idee den Glarner Schiefertafeln als Tischplatten zu verwenden und in Hartholz zu fassen. Aus dieser Idee entstanden ein blühendes Gewerbe und ein umfangreicher Handel. Das Anfertigen von Schiefertischen machte aus vielen Älpler und Bauern Gewerbetreibende, Handels- und Industriearbeiter. Aus der Tischmacherei entwickelte sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts auch noch das Herstellen und Handeln mit Schieferschreibtafeln und Griffeln. Diese wurden in ganz Europa und bis nach Ostindien und Amerika verkauft.
Erstes Umweltschutzgesetz
Der Holzhandel war neben dem Handwerk ein blühendes Geschäft. Begehrt waren Nussbaum, Kirschbaum und Ahorn, Naturprodukte die Verdienst brachten. Durch übermäßiges Abholzen der Baumbestände entstanden Schäden. Hochwasser und Geschiebeverfrachtungen zeitigten schlimmen Folgen.
Das Ausbeuten der Natur ist ein altes Problem. Nur die menschliche Vernunft kann die Nutzung in Bahnen lenken, die der Umwelt nicht schaden. 1721 verbot deshalb die Landsgemeinde in demokratischer Volksabstimmung den Holzverkauf außerhalb des Landes. Vor 250 Jahren hat das Glarnervolk damit demokratisch eine Umweltschutzbestimmung durchgesetzt. Das war eine besondere Leistung.
Die Auswanderung
Der Handel mit Schiefertafeln, Schiefertischen, Vieh und Milchprodukten reichte bald nicht mehr aus, um alle Talbewohner, deren Zahl angewachsen war, zu ernähren. Eine andere Erwerbsmöglichkeit gab es nicht. Auswandern war deshalb zwangsläufig eine von vielen gewählte, vom Staat unterstützte, Möglichkeit; Kriegsdienst in fremden Ländern die andere. In vier Jahrhunderten verdienten über 1000 Glarner Offiziere ihren Unterhalt mit Militärdienst außerhalb ihrer Heimat. Viel mehr Soldaten dürften es gewesen sein. Sie werden kaum irgendwo genannt. Einfache Menschen galten damals noch weniger als heute.
Das harte Schicksal der Auswanderung und des Kriegsdienstes brachte Früchte ins Heimatland zurück. Unbekannte Länder wurden erschlossen, andere Sitten, Denkweisen und Bedürfnisse aufgenommen und verarbeitet. Neue Erkenntnisse, Beziehungen, Weltoffenheit, Wagemut und nicht zuletzt willkommenes Geld brachte nach Hause, wer den Dienst im Kriegshandwerk überlebte.
Verdienst aus Kriegsdiensten
Ein hoher Offizier, der Glarner Reiteroberst Kaspar Freuler, sein Vater war schon Gardehauptmann, war einer der Geld brachte. Er baute 1646 mit dem im Kriegsdienst erworbenen Geld einen fürstlichen Palast in Näfels. Dort wollte er seine Majestät, König Ludwig XIV. empfangen. Der Bau des Palastes in Näfels brachte Arbeit für einheimische und fremde Handwerker und Künstler. Freuler baute aber nicht nur den Freulerpalast und brachte Beschäftigung ins Land, er war auch Fürsprecher seiner Heimat beim königlichen Hof in Frankreich. Der Haudegen Kaspar Freuler fiel 1651 im Krieg, ohne seine Majestät in Näfels empfangen zu haben.
Drei Jahrhunderte später wurde der Palast vom Staat übernommen, restauriert und der Öffentlichkeit als "Museum des Landes Glarus" zur Verfügung gestellt. Damit wurde der Bau Zeugnis vergangener Zeiten: im Museum sammeln sich Dokumente an, über eine jahrhunderte lange Entwicklung der Industrie im Glarnerland.
Trotzdem einige Glarner in fremden Kriegsdiensten zu Ruhm, Ehre und Geld gelangten und davon nach Hause brachten, blieb die Armut im Tal groß und die Zahl der in Kriegsdiensten Geopferten war unverhältnismäßig.
Kaspar Freuler (1590-1651) war Oberst unter Ludwig XIII. und XIV. und wurde 1637 in den Adelsstand erhoben. Im Jahr 1646 wurde ihm der St.-Michaels-Ritterorden verliehen, eine Auszeichnung, für hervorragende Tapferkeit und Leistungen. Ein Oelgemälde seiner Person können wir im Freulerpalast sehen.
Physiognomisch-analytische Annäherung
Hoch aufgerichtet steht dieser Mann da. Kühnheit und Entschlossenheit kommen in der Haltung zum Ausdruck. Ein Bewegungs-Naturell. Sein Blick aus schmalen Augenlidern zeigt uns Festigkeit und Unbeirrbarkeit, die mit einer realen Gedankenwelt verbunden ist. Solche Menschen können hart und unerbittlich sein, wenn es nach ihrer Ansicht die Situation erfordert. Sie sind für tiefgreifende soziale Leistungen ungeeignet. Das dazu nötige Einfühlungsvermögen ist kaum vorhanden. Die Augenbrauen sind hochgezogen und ausgeprägt. Gemäß dem hier sichtbar werdenden cholerischen Temperament, werden Gedanken mit großer Kraft und Intensität ausgedrückt. Die Stirn zeigt in ihrer plastisch gedrechselten Form überdurchschnittliche Intelligenz, Schnelligkeit und Wendigkeit des Denkens. Solche Menschen besitzen die Fähigkeit sich rasch umfassende Übersicht zu verschaffen, vieles auf einmal zu erkennen und entsprechend zu handeln. Dieser Mann arbeitet, das lässt seine Nase erkennen, mit unbeirrbarer Kraft, planmäßig und sehr gründlich. Die Gefühle sind vom Verstand beherrscht und wie in einem Gefängnis eingeschlossen, sichtbar am flachen Mittelgesicht und am strengen Mundausdruck. Es ist das Erscheinungsbild eines bedingungslosen Herrschers über ein Regiment. Voller Tatkraft, Kühnheit und Festigkeit. So sieht ein Oberst aus, der mit seiner Tatkraft auch einen Herrschaftssitz in der Größe und Prachtentfaltung des Freuler-Palastes bauen kann.
Im Buch „Die Geschichte des Glarnerlandes“ von Jakob Winteler, wird Kaspar Freuler nach einem zeitgenössischen Stich, nebenstehen, auch dargestellt. Es stellt sich die Frage, ob der hier sichbare Formcharakter einem kriegstüchtigen Oberst entspricht? Die Haltung ist ohne Kraft. Der Augenausdruck ist eher träumerisch, nicht so real und kühl wie beim Ölgemälde. Die Nase ist auch lang, was planendes Gestalten zeigt, doch gemäß ihrer weiche Struktur und der gefüllten Nasenspitze ist das Planen und Gestalten bei diesem Menschen verbunden mit der Liebe zum Lebensgenuss. Auch der schmale Mund mit vollen Lippen und feinem Amorbogen zeigt große Sensibilität, aber weniger bestimmende, kühle, zwingende Gefühle. Das kleine Kinn und die weichen Unterkieferbogen lassen wenig Tatendrang, Standfestigkeit und Durchsetzungskraft erkennen. Die kernige Kraft der Stirnform fehlt ebenfalls. Dementsprechend ist das Denken nicht schnell und bestimmt, sondern eher träumerisch suchend. Dieses Erscheinungsbild zeigt uns eher das Empfindungs-Naturell und kaum etwas vom Haudegen mit Übersicht, wie er auf dem Ölgemälde glänzend festgehalten ist. Dieser Stich und das ganze Erscheinungsbild deuten eher auf einen reichen Erben hin, dessen Leben sich im Umsetzen von feiner Genussfähigkeit und geistig-philosophischem Suchen erstreckt. So kann ein Oberst eines Garderegimentes nicht ausgesehen haben, der für Tatkraft und Tapferkeit mehrfach ausgezeichnet worden ist.
Arbeit und Verdienst vermittelt durch einen Diakon
Die Glarner suchten um 1700 verzweifelt nach Arbeit. Keiner fand einen Ausweg aus diesem Tief. Der schwarze Peter wurde, wie heute auch, ohne Resultate hin und her geschoben. Der Staat konnte nur bedingt Arbeit schaffen, ein Unternehmer mit neuen Ideen war nicht vorhanden.
Beschäftigung brachte dann Andreas Heidegger, damals noch ein junger Pfarrhelfer, der ca. 1714 von Zürich ins Glarnerland kam. Er war von der bitteren Not im Glarnerland tief beeindruckt und suchte zu helfen. Er fand die Möglichkeit nicht in Spenden, sondern in der praktischen Hilfe mittels der Baumwollspinnerei und organisierte das Baumwollspinnen als Heimarbeit im Glarnerland. Damit wurde der Grundstein zur späteren Textilindustrie gelegt. Heidegger empfahl die Arbeit den Fabrikanten in Zürich und brachte Spinnerinnen als Lehrerinnen ins Glarnerland. Er organisierte also nicht nur die Spinnerei, sondern sorgte auch für die technische Ausbildung der Menschen und für den Absatz der Produkte. Eine echte unternehmerische Leistung, mit Arbeit und Verdienst.
Suchen wir das Persönlichkeitsprofil dieses Mannes gemäß dem Kupferstich von P. und J. H. Heid, 1739, aus „Die Geschichte des Glarnerlandes“ von Jakob Winteler.
Andreas Heidegger, Diakon (1638-1746), er wurde später Pfarrer an der Predigerkirche in Zürich, war ein kraftvoll in sich ruhender Mensch. Er hatte die Fähigkeit, das Materielle als wichtige Lebensgrundlage zu sehen und entsprechend zu handeln, so wie es dem Ernährungs-Bewegungs-Naturell auch Unternehmer-Naturell genannt, angeboren ist. Gleichzeitig besaß er das zum Mitmenschen hin gerichtete Denken. Kraftvoll ist das Erscheinungsbild dieses Kopfes. Die breite Stirn geht plastisch ins breite Seitenhaupt über wo sich die Fähigkeit zeigt, das Materielle als wichtige Lebensgrundlage zu sehen und um solches zu erreichen, entsprechend zu handeln. An der hohen, strahlenden Oberstirn, ist das zum Mitmenschen hin gerichtete soziale Denkvermögen zu erkennen. Die kraftvolle Nase ist mittelgroß. Hier erscheint die Fähigkeit zum planenden und willensstarken Handeln, das Einfühlungsvermögen und seine Gründlichkeit, aber auch der Sinn für differenzierte Lebensgenüsse. Die beeindruckende Nasenwurzel zeigt offenes, ruhiges, geistiges Erfassen der Situationen. Der Mund ist fein geschwungen, aber bestimmt geformt. Entsprechend fein und tief sind seine Gefühle und seine Sensibilität. Väterlich schauen uns seine Augen an. Augen, Augenumrahmung und Mundform lassen erahnen, weshalb seine Predigten auch in sprachlicher Beziehung ein Genuss bedeuteten. Praktisch greifbar, ethisch hochstehend und sprachlich ausgewogen, so könnten wir uns aufgrund der hier sichtbaren Anlagen, seine Predigten vorstellen. Ein Mensch der planmäßig, gründlich, praktisch denkend und ethisch handelt, und anstehende Probleme mit Nachdruck kraftvoll bewältigt. Er liebt auch Schönheit und Prachtentfaltung.
Es sind immer wieder solche, von der Innenstruktur her geborene Organisatoren und wirtschaftlich fähige Unternehmer, die neue Möglichkeiten erkennen, alle nötigen Maßnahmen in die Wege leiten und tatkräftig in die Praxis umsetzend Arbeit und Verdienst ermöglichen.
Verdienst und deren Auswirkungen
Die Handspinnerei fand rasche Verbreitung und brachte Verdienst für viele. Zu Beginn musste jedoch ein Teil der Bevölkerung weiter als Handelsleute, Wattenmacher oder Krieger ihr Brot auswärts verdienen. Doch bald blühte der Handel mit dem gesponnenen Garn. In allen Gemeinden erwachte die Lust und Freude an der Arbeit des Spinnens. Der Verdienst stieg und ermöglichte es manchem tüchtigen Handwerker zum Handelsherrn aufzusteigen.
Der vergleichsweise leicht gewonnene Verdienst förderte zwar den Wohlstand des Volkes, doch übte er auch einen ungünstigen Einfluss auf das sittliche Leben aus. Es war damals für die Menschen genauso schwierig wie heute, mit neuen Situationen und Mitteln verantwortungsvoll umzugehen. Ein menschliches, allzumenschliches Problem, wohl seit bestehen der Menschheit!
J. F. Millet „Die Handspinnerin“
Konkurrenz aus dem Ausland
Das Maschinengesponnene Garn aus England trat ab 1789 in Konkurrenz zum handgesponnenen. Das bedeutete innert kurzer Zeit den Niedergang der Handspinnerei. Sie war nicht mehr konkurrenzfähig. Die Bevölkerung im Glarnerland wurde wieder hart getroffen, denn in den guten Zeiten mochte niemand weder Volk noch Behörden an eine mögliche Änderung der Arbeitsituation denken.
Hauptsächlich bei den einfachen Volksklassen, die immer noch von der Hand in den Mund lebten, bedeutete der Ausfall des Verdienstes sofort Armut und Mangel. Durch Verdoppelung der Arbeitszeit versuchten sie den Preiszerfall auszugleichen. Auch Kinder, die jüngsten 4jährig, arbeiteten Tag für Tag um sich Essen zu verdienen. Das Essen wurde trotzdem immer kärglicher und bestand vielerorts nur noch aus einem Stück Brot und einer Brühe von Cichorien, Bohnen, Eicheln, Erdäpfeln, Erbsen und einigen Kaffe Bohnen. Man ass, was zu ergattern war. Milch war Mangelware.
In diesen Jahren der Not betrug ein Spinnerlohn pro Tag noch etwa 50 Rappen, die Lebenshaltungskosten waren gleichzeitig enorm gestiegen.
Bei der langen Arbeitszeit und dem trotz fleißiger Arbeit ständigen Geldmangel, wurden Schul- und Bildungsanstalten in sträflicher Weise vernachlässigt. Öffentliche Wohlfahrt und Fürsorge waren kaum vorhanden. Als die Baumwollhandspinnerei wirtschaftliches Wachstum brachte, vermehrte sich die Bevölkerung um 9400 Seelen. Dieser Umstand machte die Not noch viel größer. Arbeitslosigkeit war erneut die Folge des mangelnden Absatzes und das Auswandern war wieder die letzte Möglichkeit, sein Leben zu erhalten.
Ein neuer Aufschwung durch unternehmerische Talente
Neue Ideen und unternehmerische Leistungen in der Baumwoll- und Zeugdruckerei ermöglichten die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und bald begann auch der Handel wieder zu blühen.
Peter Blumer-Blumer hat wesentlich zu dieser neuen Arbeitsmöglichkeit beigetragen. Er war ein bemerkenswerter Kopf. Seine Gesichtzüge sind gut proportioniert und wie gemeißelt. Dieses Erscheinungsbild lässt in seiner Ausdruckskraft eine ungewöhnliche praktische und kaufmännische Begabung, bei blendender Intelligenz, erkennen. Peter Blumer hatte auch Interesse und Sinn für schöne Formen, für Kunst und Farbe, was an der Nasenwurzel und an den offenen, großen Augen sichtbar wird. Trotz der außergewöhnlichen Anlage ist auf dem Bild keine Überheblichkeit sichtbar. Er achtete denn auch die
Peter Blumer-Blumer nach einer
Abbildung im Freulerpalast
Menschen seiner Umgebung, trotzdem sie weniger begabt waren als er.
Er gründete mit 17 Jahren ein Handelshaus für Import und Export von schweizerischen Textilien in Ancona an der Adria. Trotz schweren Revolutions- und Kriegszeiten gedieh das Unternehmen dank der außergewöhnlichen Begabung und dem Einsatz seines Leiters. Peter Blumer-Blumer führte das Geschäft durch Stürme und Bedrängnisse zu einem der größten Handelshäuser Europas.
Die Unternehmung "P. Blumer und Jenny", wie sie nach seinem Tode hieß, besaß zuletzt Filialen in allen Erdteilen und eine Handelsflotte von 8 großen Segelschiffen mit eigener Reederei. Rechtschaffenheit, Können und Behauptungskraft leiteten die Handlungen von Peter Blumer-Blumer. Solche Menschen können eine blühende Unternehmung schaffen und erhalten. Sie sind weder durch den Staat und seine Beamten, noch durch fleißige und pflichtbewusste Arbeiter zu ersetzen. Sie benötigen aber einen gewissen Freiraum, damit sie ihre Ideen und Fähigkeiten entwickeln und zum Wohle aller umsetzen können.
Trotz der Anlage zu weltmännisch offenen Denken kehrte Peter Blumer-Blumer in seine Heimat zurück und leitete von hier aus sein Geschäft. Er diente seinem Land auch als Ratsherr und in öffentlichen Ämtern.
Sein angeborener Sinn menschliche Fähigkeiten zu erkennen, hat ihm bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter und Teilhaber gute Dienste geleistet. Einer seiner drei Hauptmitarbeiter und Teilhaber wurde Peter Blumer-Ott.
Seine Begabung und sein Interessen waren mehr auf rechtliche und soziale Belange ausgerichtet. Er war eine andere Erscheinung als Peter Blumer-Blumer. Das Gesicht ist länglich schlank, im oberen Teil breiter als im unteren. Das zeigt, dass bei seinen Entscheidungen Soziales eine wesentliche Rolle spielt. Der Stirnaufbau, der Augenausdruck und der feine Mund spiegeln das soziale Denken. Solche Menschen setzen sich erfolgreich mit philosophischen, ethischen und religiösen Fragen auseinander. Planmäßig, charakterstark, mit großem pädagogischem Geschick und feinem psychischem Empfinden, wie das an der langen, feinen Nase sichtbar ist, verfolgte er seine Ziele. Er war nicht nur Unternehmer im kommerziellen
Peter Blumer-Ott nach einer
Abbildung im Freulerpalast
kaufmännischen Sinn. Er war auch das gute Gewissendes Unternehmens. Der etwas gepresste Mund zeigt die Willensanstrengung, die nötig war, um solches zu erreichen. Neben seiner Tätigkeit als Industrieller war er auch Zivilrichter und Präsident der Kirchgemeinde. Als Ratsherr amtete er in der obersten Vollzug- Verwaltungs- und Aufsichts-Behörde.
In jeder Unternehmung sind solche Menschen Garanten für vermittelndes soziales Denken. Sie berücksichtigen den Menschen im Arbeitnehmer.
Dem Namen nach kein andere wurde auch eine wesentliche unternehmerische Unterstüzung der Firma Blumer und Jenny. Peter Blumer-Zweifel.
Diese Person hat ein anderes Erscheinungsbild. Das Gesicht ist mehr rund und Apfelförmig, der Hals ist kurz, das Seitenhaupt breit ausgewölbt. Das sind die typischen Formen einer ruhigen und kommerziellen inneren Struktur. Solche Menschen besitzen lebenspraktische Talente und starke ökonomische Fähigkeiten. Die Augenumrandungen, der Augenausdruck, der scharf geschnittene Mund lassen erkennen, dass jedoch nicht nur die auf das
Peter Blumer-Zweifel nach einer
Abbildung im Freulerpalast
Lebenspraktische ausgerichteten Fähigkeiten vorhanden sind. Die Interessenlage von Peter Blumer-Zweifel ist vielseitiger, qualitativ und geht damit weit über das lediglich praktische Erfassen des Naheliegenden hinaus. Das Denken ist weit gespannt und trotzdem praktisch umsetzend. Alles was er beobachtet, wird auf einen einfachen greifbaren Nenner gebracht. Seinem aufmerksamem Blick entgeht nur wenig. Die Erscheinung strahlt etwas Beruhigendes aus, etwas Väterlich-Fürsorgliches. Gemütsregungen werden jedoch zurückgehalten.
Er besitzt das ausgesprochene Talent zum Rechnen, Organisieren, Planen und ökonomisch Wirtschaften, was an der Plastik über seinem rechten Auge, die sich breit zur Schläfenpartie hinzieht sichtbar wird. Die aus seinen Talenten hervorgehenden Schlussfolgerungen und Befehle werden kurz, prägnant, präzise formuliert und wiedergegeben. Das sehen wir am scharf geschnittenen Mund.
Von ihm waren die kaufmännischen und die organisatorischen Belange des Geschäftes glänzend abgedeckt.
Die weit über die Anlagen eines primären Naturells hinausgehenden Talente nutzte Peter Blumer-Zweifel als Appellationsrichter und Schulvogt. Auch in diesen Funktionen dürften lebenspraktisches eher konservatives Denken im Vordergrund seiner Lagebeurteilungen und Handlungen gestanden haben.
Aus der Familie Blumer gingen viele Unternehmer, Räte, Gelehrte hervor. Der Stammbaum einer solchen Familie lässt einen ungewöhnlichen, qualitativen Kern erkennen. Die vielfältigen, hoch stehenden Anlagen werden oft, (aber niemals garantiert), über Generationen hinweg vererbt. Von den beschriebenen spezifischen Formen können wir ableiten, dass jedes Mitglied der Familie von den Genen bedingt ein in sich ruhender Individualist geblieben ist. Entsprechend den inneren, vererbten Kräften treten unterschiedliche Fähigkeiten und andere Interessen hervor und daraus entstehen spezifische Leistungen, und Lebensansichten zur Lebensgestaltung.
Neben dem Blumergeschlecht gab es noch eine Anzahl anderer Unternehmer die zum Aufbau der Industrie im Glarnerland wesentliches beigetragen haben. Einer dieser Männer war Egidius Trümpy (1765-1839).
Er repräsentiert wiederum den Typus des erfolgreichen Unternehmers. Alle Formen sind jedoch verfeinert und ausgeglichen. Diese Formstruktur ist Ausdruck geistig-sozialer Energie, die auch bei der Willensbildung beteiligt ist. Entsprechend ist der Charakter von Egidius Trümpy menschlicher, sozialer als bei vielen Unternehmern die nur wirtschaftlich denken und vielfach rücksichtslos und egoistisch handeln. Trümpy wird bestimmen, aber nicht herrschen. Er arbeitete mit Fleiß, Pflichtgefühl und außergewöhnlichem Können.
Menschliche Werte erscheinen Trümpy ebenso lebenswichtig und wertvoll wie Geld und Gut. Aus diesem vielseitigen Talent wächst die Einsicht, dass Erwerb von Geld und Gut, die Vermittlung von Waren,
Egidius Trümpy nach einer Abbildung im Freulerpalast
der Güteraustausch letztendlich nur Grundlage sind zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen. Es sind die Voraussetzungen, auf denen echte Fortschritte in sozialen Bereichen ruhen müssen.
Welcher Formausdruck weist auf diese unternehmerischen und sozialen Eigenschaften hin?
Zuerst fällt die breite Stirnformation mit dem kraftvollen Fundament der Unterstirn auf. In dieser entwickelt sich das reale nüchterne Tatsachendenken. Diese sind Grundlage seine Handelns. Darauf aufbauend wird erkannt wie das praktische umgesetzt werden kann, dann erfolgt philosophisches Faktenordnen, was immer wieder zu neuen Lösungen führt. Alles wird mit ethischem Denken überprüft und mit weisem Denken für sein Unternehmen umgesetzt. Doch auch der Nutzen für die Allgemeinheit wird abgewogen. Das gerundete Oberhaupt zeigt das religiöse Fühlen, mit welchem Talent Göttliches, erfühlt wird. Dieses Attribut erscheint bei Trümpy so wesentlich wie das zum Erwerbserfolg führende Tatsachendenken.
Die Grundlage zu menschlichem Leben bildet aber der Gewinn. Das Erkennen dieser Tatsache und das zum Gewinn führende Talent sind am breit ausgebauten Seitenhaupt zu erkennen. Die gleiche Breite von unten bis oben signalisiert die Fähigkeit, auch kulturelle Werte zu erkennen, zu schätzen, zu erwerben und zu schützen. Die Augen sehen uns bestimmt, fest, aber auch wohlwollend an. Die breite plastische Nasenwurzel bestätigt und unterstreicht das große geistige Fassungsvermögen, die Fähigkeit rasch aber ruhig zu erfassen und wiederzugeben. Hier erkennen wir auch das Talent zu intuitiver Menschenkenntnis, dem sicheren Einschätzungsvermögen von Arbeitskraft und Charaktereigenschaften seiner Mitarbeiter. Sein feines Einfühlungsvermögen signalisiert uns die mittelgroße, feine Nase. Die runde Nasenspitze zeigt die Freude am Genuss, der gemäß seiner Mundform immer ausgewählt und zurückhaltend ist. Würdevoll ist die Haltung.
Er war ein vorbildlicher Unternehmer, mit viel Güte und Wohlwollen und trotzdem ein ausgezeichneter Kaufmann. Solche Menschen sollten als Vorbilder für unternehmerisches Denken gelten. Sie erkennen hervorragend die realen Tatsachen des notwendigen Erwerbes, sind aber auch sozialen Probleme zugänglich und versuchen auch diese zu lösen. Es sind menschliche Gesprächpartner für Gewerkschaften, welche die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten haben, können ihnen jedoch die Notwendigkeit von Geschäftsgewinnen begreiflich machen.
Egidius Trümpy gründete 1796 eine Druckerei am Oberdorfbach, wo er als erster den Druck mit Türkischrot vornahm. Bald stieg die Fabrik zum größten Unternehmen des Zeugdruckes auf. 1816 rief Egidius Trümpy die erste Fabriksparkasse des Glarnerlandes ins Leben. Sie gewährte bei Krankheit und Unglücksfällen Unterstützung und Hilfe. Erst 1842, also eine Generation später, wurde vom Kanton eine Witwen-Waisen- und Alterskasse gegründet.
Gesicherte Nachfolge
Beim Sohn Aegidius Trümpy. (1827-1887), sehen wir ähnliche Formen wie beim Vater. Der Fortbestand des Unternehmens, geleitet durch einen fähigen Nachkommen, ist optimal gesichert. Auch beim Nachkommen Feinheit, Menschlichkeit und Qualität. Es fehlt lediglich noch die ruhige Würde des älteren Menschen. Aegidius war ein ausgezeichneter Nachfolger. 1860 begann er mit dem Druck von indigoblauen Lendenschürzen für die Bevölkerung von portugiesischem Ostafrika. Dies zeigt die weltweiten Beziehungen auch dieses Unternehmens, begründet auf fachlichen, ökonomischen und menschlichen Qualitäten, die soziale Sorgen und Verantwortung für die Mitarbeiter auch ohne äußeren Zwang in sich schließt
Aegidius Trümpy-Trümpy,nach
einer Abbildung im Freulerpalast
Er war ein andere Mensch:
Oberst Johann Jakob Streiff von Glarus (1817-1889), Druckfabrikant auf der Insel, Glarus, nach einer Abbildung im Freulerpalast
Ein Hüne an Gestalt. Eine Unternehmernatur, die in erster Linie das Reale erkennt, Tatsachen fordert und sehen will. Ein Mensch der auch ausgezeichnet organisieren und verwirklichen kann und ökonomisch denkt und handelt. Es ist aber eher das Erscheinungsbild eines unwilligen Dorfschmiedes als das eines wohlwollenden Mannes. Hier haben wir einen sehr kritischen Geist. Unzugänglichkeit zeigt der Ausdruck von Augen- und Mund. Mit solchen Menschen ist nicht gut Kirschen essen, sie dulden keinen Widerspruch, ihre Sprache ist unwirsch. Streiff siehtaus wie wenn er dauernd verärgert wäre. Er zeigt sich jedoch so wie er ist. Ohne Falsch, ohne Hinterhältigkeit. Ein solcher Mensch geht eher zu Grunde, als dass er sich anpassen würde. Wer ihn aber zum Freund hat, der kann hundertprozentig auf ihn zählen. Es fehlt aber die Verfeinerung wie bei Egidius Trümpy. Es ist eher der alleine bestimmende Patriarch. Von ihnen ist keine soziale Verbesserung aus inneren Impulsen zu erwarten. Seine Devise könnte lauten: „ Jeder ist seines Glückes Schmid und hat für sich selber zu sorgen. Wenn er tut was ich sage, helfe ich ihm“ Soziale Leistung muss durch harte Verhandlungen abgerungen oder durch Gesetze vorgeschrieben werden. In erster Linie akzeptiert werden Verhandlungspartner, die auch Macht aufweisen. Solche Menschen sind schwierige Gesprächspartner in Verhandlungen mit Arbeitnehmerorganisationen. Von ihm sozialen Taten zu erwarten ist falsches Hoffen. Von ihm stehen denn auch keine solchen im Buch "Geschichte des Landes Glarus". Aber 1847 leitete er im Sonderbundkrieg die glarnerische Artillerie, welche 55 Männer und fünf Vierpfünderkanonen umfasste. Man kann sich keinen besseren Leiter der schweren Artillerie vorstellen. Dieses andere Menschsein ist in ihrer speziellen Persönlichkeit zu akzeptieren. Grenzen sind zu erkennen und zu berücksichtigen.